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Live-Reviews

Wacken Open Air 2012 - Wacken (01.08.2012 - 04.08.2012)
Auch die 23. Auflage des Kult-Festivals für Freunde metallischer Klänge hatte es wieder in sich. Hier nun der schonungslose Report:

Mittwoch

Dass ich am Mittwoch keine Band sehe, hat jetzt seit einigen Jahren Tradition. Diesmal habe ich folgende Ausreden: Die Anreise ist eine Zumutung. Gut, dafür können die Veranstalter nichts. Um 8 Uhr morgens geht es los, um 15 Uhr stelle ich mein Auto ab. Dies liegt vor allem an vielen Baustellen und Unfällen auf meinem Weg, der eigentlich nur 270 km beträgt. Im Zusammenhang mit einigen anderen Ärgernissen habe ich einen amtlichen Hals. Nichtsdestotrotz legt sich diese Stimmung recht schnell, da wir unsere Truppe vom letzten Jahr wieder zusammen haben, ergänzt durch einige wenige Neuzugänge. Da hat man natürlich viel zu erzählen. Irgendwann geht es los, Festivalbändchen und –shirts kaufen. Auch die ersten Getränke laufen die Kehle runter ( Favorit des Jahres: Red Stag ).
Daraus ergibt sich, dass die Nacht um 05:30 Uhr endet, ein cooler erster Abend. Es treten erste Anzeichen dafür auf, dass Tenacious D dieses Jahr die bevorzugte Beschallung auf dem Gelände sind ( nicht nur bei uns ).

Donnerstag

Nachdem ich so gut und lange wie noch nie auf einem Festival schlafe, gibt es als Krönung noch Rührei zum Frühstück. Nebenbei erfahre ich, was wir in der Nacht alles angestellt und gegessen haben. Ja, der erste Abend ist immer der ausschweifenste. Am frühen Nachmittag dann machen wir uns auf den Weg zum Biergarten, um Mambo Kurt zu sehen. Wie immer gibt sich eine stattliche Anzahl Metaller die Ehre und feiert zu so unterschiedlichen Songs wie „Mexico“ ( onkelz ), „South of heaven“ ( Slayer ) und „Remmi Demmi“ ( Deichkind ) schon so früh am Tag den Heimorgelgott ab. Begleitet wird er heute von seiner „Heimorgelpraktikantin“ Foxy ( manche Leute verstehen den Namen allerdings ein wenig falsch ), die sich auch gelegentlich mal im Bikini zeigt. Getoppt wird das Ganze von einer Nummer, in der Mambo diverse „Super Mario“ Melodien spielt – der Biergarten tobt.

Als nächstes sind dann Sepultura an der Reihe, die sich heute eine illustre Percussion-Truppe namens Les Tambours Du Bronx zur Verstärkung auf die Bühne stellen. Der Sound ist eine Wand, das Bild mit den ca. 20 Trommlern auf der Bühne kommt gut. Als Opener wird gleich „Refuse / Resist“ durch den Äther gejagt, gefolgt von einer Mischung aus Klassikern und neueren Songs. Ebenfalls cool ist die Coverversion von „Firestarter“ ( The Prodigy ). Der Übersong „Roots bloody roots“ ist erwartungsgemäß das Highlight der Show. Ganz, ganz starke Show, so gut habe ich Sepultura schon ewig nicht mehr gesehen.

Bei der anschließenden Shopping- und Fresstour bekommen wir noch U.D.O. mit, der mit solch überraschenden Gästen wie Doro um die Ecke kommt. Wem’s gefällt…

Eine ganz andere Nummer dann Channel Zero: Vorm Zelt treffe ich erstmal ein paar alte Bekannte ;) , dann geht’s vor die Bühne und man wird fast weggeblasen – der Sound ist umwerfend. Einfach nur fett, perfekt… Ganz große Nummer! Die Belgier lassen sich nicht lumpen und legen mit „Suck my energy“ gleich gut los. Von den neuen Nummern kommen „Hot summer“ und „Ocean“ extrem fett daher, ebenso wie die Stimme von Sänger Franky de Smet van Damme. Der Hammer. Die 45 Minuten vergehen viel zu schnell.
Von Saxon bekomme ich noch gut die Hälfte mit. Was man so hört, ist natürlich geil, es werden fast ausschließlich Klassiker gespielt – mit „Princess of the night“ als ganz fettem Ausrufezeichen zum Schluss.
Da können auch Volbeat anfangs nicht mithalten, trotz des Eröffnungs-Triples „Human instrument“, „Guitar gangsters“ und „Another day, another way“ ( Alter!! ). Der Sound gefällt mir irgendwie nicht… Oder sie sind wirklich so lahm! Und das, obwohl fast ausschließlich großartige Songs gespielt werden: „Sad man’s tongue“, „Who they are“, „Fallen“ natürlich… Doch dann kommt die Wende: Volbeat spielen „7 shots“ mit Michael Denner von Mercyful Fate an der Gitarre ( Gitarrist Hank Shermann – ebenfalls Mercyful Fate – ist momentan die Vertretung oder Übergangslösung für Thomas Bredahl, der im vergangenen Jahr seinen Dienst bei Volbeat quittierte ). Als dann noch Mille von Kreator zu „seinem“ Part auf die Bühne stürmt und ins Mikro keift, gibt es kein Halten mehr, es ertönt ein riesiger Jubel unter den zahlreich anwesenden Fans. Mit „Sweet unicorns“ wird ein neuer, recht kurzer Song angespielt, ehe ein erneutes Highlight folgt: Barney von Napalm Death betritt die Bühne und übernimmt die Strophen von „Evelyn“ – göttlich! Zu Barney und Napalm Death später mehr.
Im Zugabenteil geht es dann noch mal hoch her mit Klassikern wie dem „Pool of booze“. Wäre der lahmarschige Anfang nicht gewesen, wär der Auftritt unter der Kategorie „Weltklasse“ eingeordnet worden – so bleibt allerdings ein wenig Enttäuschung und die Frage „Warum nicht gleich so?“

Freitag

Schon erstaunlich, wie schnell auf einem Festival Insider entstehen, die einen dann das ganze Wochenende und länger verfolgen. So auch dieses Jahr wieder. Bevor es wieder ans Trinken geht, gucke ich mir mit Thorsten mal Betontod auf der Party Stage an. Hier verhält es sich ähnlich wie bei Frei.Wild in den Jahren davor: Das hat man alles schon mal bei den onkelz gehört, nur um Längen besser. Die Leute sind trotzdem zahlreich erschienen und bei guter Laune – auch das Wetter spielt noch mit.
Im Anschluss will fast jeder Oomph! sehen – nur ich entscheide mich für die wiedervereinigten Sanctuary um Frontsirene Warrel Dane. Das Leben vor Nevermore quasi. 2 Alben veröffentlichte man damals in den 80’ern, und die Highlights daraus bekommt man heute bei bestem Wetter und Sound um die Ohren. Sehr guter Auftritt.

Dann nimmt das schöne sonnige Wetter eine Auszeit und es stürmt und regnet. Das ist insofern schlecht, weil der Acker schon in den vorigen Wochen unter starken Regenfällen gelitten hat und nun völlig den Geist aufgibt und sich in ein riesiges Schlamm-Szenario verwandelt. Autos bleiben stecken, Menschen rutschen aus oder laufen wie Zombies durchs Watt. Durch diese idyllische Szenerie kämpfen sich 4 wagemutige Menschen aus unserer Truppe, um sich Red Fang im Zelt zu geben. Es sieht aus wie ein Schlachtfeld, aber egal – wir haben es noch pünktlich geschafft. Die Truppe hat ebenfalls einen guten Sound und ballert sich durch die Göttergaben ihrer beiden Alben. Als dann „Wires“ ertönt, kann ich nicht mehr an mich halten und stürze mich in den Moshpit, wo mir grinsende Menschen begegnen – und ein ca. 50jähriger Asiate in einem Samurai-Anzug. Wuoh, cooler Typ! :) Als dann noch „Prehistoric dog“ ertönt, brechen alle Dämme und Red Fang haben endgültig gewonnen.
Da Dødheimsgard ihren anschliessenden Auftritt wegen eines Unfalls absagen müssen, verlängert sich die Spielzeit von Red Fang um 15 Minuten, in denen u.a. die Wuchtbrumme „Throw up“ zum Einsatz kommt.

Meine Performance im Pit war dann allerdings so anstrengend, dass ich mir an dem Tag keine weitere Band mehr ansehe. Völlig mit Matsch überzogen bleibe ich an unserem Lager, wo es noch hoch hergeht, und sich neue DJ-Götter hervortun. Bei H-Blockx und Offspring kocht die Stimmung über und die Getränke schmecken noch mal doppelt so gut. Was für ein Abend!


www.youtube.com/v/Gu58OFPT2wk


Samstag

Letzter Tag! Schon wieder stehe ich zeitig auf, um den Auftritt von Eschenbach zu erleben. Auf der Nebenbühne im Zelt spielen Agro, die Band kommt reichlich schräg rüber. Unter anderem wurde ein Song um die Melodie von „Was sollen wir trinken, 7 Tage lang“ gestrickt. Die Band hat eine Frau an der Geige im Petto und kommt aus Südafrika. Sieht man auch nicht alle Tage.

Eschenbach hingegen habe ich noch einige Tage vorher live gesehen. Auch heute ziehen sie einige Leute vor die Bühne und wissen mit Songs wie „Teufel im Detail“ und „Blick in den Spiegel“ zu gefallen. „Halt aus“ beendet ein starkes Set, die Band wird ihren Weg gehen. Zumal sie nicht einfach bereits ausgelatschte Deutschrock-Pfade geht, wie manch andere Bands…

Kontrastprogramm: Auf der Black Stage wüten sich Napalm Death durch ihr Programm. So richtig schön auf die Fresse. Die Vehemenz dieser älteren Herren ist unglaublich, die Songs werden den Leuten mit einer unglaublichen Wucht vors Fressbrett geknallt. Die Mimik und Gestik von Sänger Barney ist der Wahnsinn, ein ums andere Mal muss ich grinsen und freu mich, dass ich diese Band endlich mal live sehe. Kult und einfach nur geil.

Danach steht erst einmal Erholung an. Ich betrete erst am späten Abend wieder das Gelände. Es spielen grad die Scorpions ihre letzten Stücke, „Still loving you“ und „Rock you like a hurricane“, untermalt von einer bombastischen Pyro-Show. Zwischen den Songs ertönen „Machine Fuckin’ Head“-Sprechchöre von der Nebenbühne. Die Amis werden sehnsüchtig erwartet, und legen dann auch mit „I am hell“ mächtig los. Der Sound ist druckvoll, die Band gut aufgelegt, die Setlist sowieso über jeden Zweifel erhaben: Es folgen „Old“ und „Imperium“ – Cicle-Pit-Time in Wacken! Schön matschig, das Ganze. „A thousand lies“ wurde laut Robb Flynn seit 16 Jahren nicht mehr in Deutschland gespielt, schönes Ding! „Locust“ und „Aesthetics of hate“ drehen dann noch mal an der Geschwindigkeitskurve, ehe „Darkness within“ den Fuss vom Gaspedal nimmt. Verdammt stimmungsvolles Lied. „Halo“ und „Davidian“ beenden dann ein starkes Konzert.

Viele Leute reisen scheinbar früher ab, das konnte man schon bei Machine Head sehen, und wird nun bei Ministry noch deutlicher. Ohne Probleme marschieren wir in die 5. Reihe, zeitweise sehe ich die Absprerrung ganz vorne. Als Intro läuft ein wirres Filmchen über die Videoleinwände, dann betreten Al Jourgensen und Gefolge die Bühne. Was folgt, ist für mich vielleicht DAS Highlight des Festivals. Die Truppe liefert eine Wahnsinns-Show ab, für die uns anschließend die Worte fehlen. „Ghouldiggers“ und „No W“ bilden den Auftakt, eine Killer-Version von „Rio Grande Blood“ toppt dass Ganze noch mal. Über die Videoleinwände laufen keine Live-Bilder, sondern ausschließlich psychedelische Bildfetzen, Clips und Sequenzen der einzelnen Musiker vor bunten Farben. „LiesLiesLies“ und „99 Percenters“ kommen ebenfalls großartig. Ich bin quasi permanent am headbangen und völlig eingenommen von dem Spektakel auf der Bühne. Scheint aber vielen so zu gehen. Die alten Hits „N.W.O.“ und „Just one fix“ treiben die Leute noch mal in den Wahnsinn, ehe „Thieves“ das Ende markiert. Ganz großes Tennis! Das muss man erstmal sacken lassen.


www.youtube.com/v/_aLcMsMOROo


Auf dem Rückweg schneien wir noch ins Zelt, um uns die Leningrad Cowboys zu geben. Die Finnen bevölkern dann auch alsbald die Bühne mit ca. 13 Leuten. Nettes Schauspiel, die Mucke geht auch klar – und gut ins Tanzbein. Um 02:30 Uhr bewegen wir unsere geschundenen Körper dann aber Richtung Stützpunkt, da einige von uns schon die Heimfahrt antreten wollen.

Der Rest baut dann am Sonntagmorgen die Festung ab und schafft es glücklicherweise ohne nennenswerte Zwischenfälle durch den Schlamm ( lediglich ein Auto muss mit einem Trecker aus der Matsche gezogen werden ). Danach gibt es dann eine letzte Nachlese in Hamburg im McDonalds, wo die „normalen“ Besucher abwertende Blicke auf unseren Trupp werfen ( könnte daran liegen, dass man sich noch nicht an die ungewohnte Umgebung angepasst hat und sich wie auf einem Festival verhält ).

Als Fazit gibt es wenig Negatives zu berichten: Für das Wetter kann niemand etwas, allerdings hätte man sicher irgendwie auf den Schlamm reagieren können – in einem Teil des Wackinger-Dorfes war der Boden immerhin auch gestreut. Weiterhin waren die Campingplätze – wie jedes Jahr – nicht ausreichend beschildert, sprich: Man steht auf dem Campground und weiss nicht sofort, welcher Buchstabe das jetzt ist. Ein oder zwei weitere Flaggen pro Ground wären schon gut.

Trotzdem überwiegen die positiven Eindrücke, denn das Festival ist wirklich top organisiert, die Auswahl der Bands wie immer gut, der Sound in der Regel richtig gut ( Ausnahme leider: Volbeat ). Auch die Preise für Essen, Getränke und Merch gehen in Ordnung.
Eine weitere gelungene Aktion ist die Zusammenlegung von zwei Bühnen in das Bullhead-Zelt, wo der Sound außerordentlich gut ist und Clubatmosphäre entsteht.

Eine Anregung von meiner Seite aus wäre noch, einige der 9 (!!!) Bühnen zu streichen oder wie im obigen Beispiel zusammenzulegen. Denn dadurch entstehen leider immer wieder Überschneidungen cooler Bands ( besonders schlimm: Volbeat und Torfrock spielen gleichzeitig ). 5 oder 6 Bühnen würden es auch tun.

Eisen-Dieter

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