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Interviews

Extrabreit
Extrabreit sind ein Teil des musikalischen Kulturguts unserer Nation. Ihre Geschichte beginnt im Jahre 1979 in einem Hagener Vorort, als sich ein Haufen begeisterter Sex Pistols und Ramones-Fans zusammenfindet um kräftig loszurocken. Alles war erlaubt, nichts schien unmöglich. Extrabreit wurden schnell entdeckt und schwammen ein Stück weit auf der NDW-Welle mit, eben mit ihrem eigenen Punk Charm. Heute, stolze 25 Jahre nach der Veröffentlichung ihrer ersten Scheibe Ihre Größten Hits, werden Die Breiten, wie sie sich selbst nennen, für 500.000 verkaufe Einheiten mit Platin ausgezeichnet. Doch noch besser, die Mannen um den heute 48 jährigen Kai Havaii melden sich mit einer neuen Single und dem Longplayer Endlich Frieden zurück. Tja, und irgendwie scheint die Zeit stehen geblieben zu sein.
„Wir brauchten eine kurze Anlaufzeit, um zu sehen, ob wir uns dem Ganzen nochmals stellen wollen“, beginnt Kai von der überraschenden Reunion zu berichten. „Ich habe mich in den ersten Jahren nach dem Split aus dem Musikbuisness zurückgezogen, während Stefan Kleinkrieg eine Solo-CD veröffentlicht hat. Nach ein paar Jahren wurde das aber komisch, irgend etwas fehlte mir dann doch, vor allem wenn man sich selber noch relativ rüstig fühlt. Mit Stefan bin ich stets in Kontakt geblieben und irgendwann, 2002 muss das gewesen sein, kam dann die Gretchen-Frage: sag mal, hast du nicht auch schon drüber nachgedacht... Da wir immer wieder auf Liveshows angesprochen wurden und alle eigentlich auch Bock darauf hatten, fanden wir uns relativ entspannt zusammen und probten wieder. Die Shows liefen sehr gut und wir sahen, dass das Klima innerhalb der Band sehr gut war. Da wir nicht unsere eigene Oldieband werden wollten, stellten wir uns die Aufgabe ein neues Album zu produzieren. Es hat eine Weile gedauert, bis wir den richtigen Weg fanden an das Songwriting ranzugehen, anfangs fehlte ein kreativer Input, der dann jedoch durch unseren Produzenten Heiwi Esser, der selbst Musiker bei Substyle ist, kam.“ Heiwi war für den Sound verantwortlich, half bei den Arrangements mit und griff bei zwei Nummern auf Endlich Frieden selbst in die Tasten. Kai beschreibt ihn als frech, da er oftmals wirklich das letzte aus den Musikern rauskitzelte. „Er war da genau der richtige, denn wenn man immer in seinem eigenen Saft schmort, ist es ganz wichtig jemanden zu haben der die Dinge auf den Punkt bringt und auch einen gewissen Gegenpol bildet.“ Das Gefühl von Früher war jedenfalls wieder da und man fühlte sich noch lange nicht als altes Eisen.
Kai selbst lag in den vergangenen Jahren alles andere als auf der faulen Haut und widmete sich den verschiedensten Herausforderungen. „Zwischendurch hab ich mit anderen Musikern komplett neue Dinge gemacht, wie an einem Filmsoundtrack mit elektronischer Mucke zu arbeiten. Zudem habe ich zweieinhalb Jahre lang bei Onyx TV das Musikmagazin TV Radio moderiert, wo wir ziemlich unabhängig und frei waren und viele Dinge sagen und zeigen konnten, die nicht gerade typisch für’s Fernsehen waren. Der Sender war froh dass sie etwas redaktionelles hatten und wir hatten tierisch Bock darauf. Leider wurde Onyx vorgies Jahr in einen Dokukanal umgewandelt“, berichtet Kai mit leicht wehmütigem Ton in der Stimme. Doch auf die kürzlich erhaltene Auszeichnung angesprochen, wird Kai gleich wieder fröhlicher. „Als wir 1998 die Segel gestrichen haben, in der festen Überzeugung dass dies das Ende von Extrabreit ist, wussten wir, dass die Platingrenze schon fast erreicht war. Damals standen wir bei rund 480.000 Einheiten und ein bißchen was verkauft man über die Jahre immer. Ich habe mich über die Auszeichnung ganz besonders gefreut, da mir meine bisherigen Goldenen Schallplatten vor einigen Jahren samt dem Möbeln bei einem Einbruch geklaut wurden.“ Zwar tauchte Jahre später eine Goldene Schallplatte bei Ebay auf, die dann für viel Geld an einen Fan ging, doch um sich nicht nochmals zu ärgern, stellte Kai keine weiteren Nachforschungen über die Herkunft dieser an.
Passiert ist in dem Leben der Musiker sehr viel, ebenso wie in der Welt ansich. Themen, die ihnen unter den Nägeln brannten gab es also reichlich. „Eine Nummer wie Die Multis und der Staat entsteht nun nicht unbedingt in einer lauen Mondscheinnacht, in der man romantische Anwandlungen bekommt. Das ist der Ausdruck einer konkreten Wut, über die Entwicklung in der Welt, der Terrorismusbedrohung und Bekämpfung. Sowas brennt einem auf der Seele und das musste einfach raus.“
Erfahrungen haben Extrabreit viele gesammelt und Erfolge feierte man in jeglicher Hinsicht. Vor zwanzig Jahren zierte man noch die Titelblätter einer Bravo, hatte regelmäßig Singles in den Top Ten und spielte in ausverkauften, großen Hallen. Anno 2005 macht es zwar genausoviel Spass, nur ist alles eine Nummer kleiner, dafür sicherlich auch entspannter. „Die Band ist heute auf eine andere Art bei sich wie früher. Es scheint aber so zu sein, als sei der Enthusiasmus, der Ehrgeiz und die Konzentration, wie damals. Es findet nur alles in einem anderen Koordinatensystem statt. Ob das von anderen genauso empfunden wird, das steht auf einem anderen Blatt. Wir schrammen nun alle steil auf die 50 zu, da macht man natürlich einen anderen Eindruck auf die Menschen wie wenn man Anfang 20 ist. Wir stehen aber nicht mehr unter Druck, wobei wir sicherlich nichts dagegen haben weiter erfolgreich zu sein und einige Platten zu verkaufen. Wir haben realistische Ziele und uns stand ein vernünftiges Budget zur Verfügung. Uns würde es freuen, wenn wir wieder wahrgenommen werden und einige Leute zu uns ins Boot ziehen können und sich das auch Live niederschlägt.“
Punk Rock bedeutet für Kai das Gegenteil von Erstarrung. Zwar stand man immer zwischen Punk und der Neuen Deutschen Welle, doch spätestens auf Endlich Frieden kommen vor allem die Punk Roots wieder verstärkt ans Tageslicht. „Dynamik, Aufbruch und Bewegung sind für mich ebenso typische Punk Attribute. In der breiten Öffentlichkeit hatten wir schon immer dieses NDW Etikett, wodurch wir auf eine gewisse Zeit reduziert werden. Ich saß erst neulich in einer Talkrunde mit Leuten von DAF, Trio, Markus oder Joachim Witt zusammen. Das war sehr merkwürdig, aber eine sehr höfliche Diskussion und ich denke, dass wir alle, damals wie heute, doch aus ganz anderen Lagern kamen. Ich selbst höre mir neben den alten Sachen gerne Soundtracks an, sowie Alben von Green Day, Massive Attack, Rammstein oder Social Distortion.“
Die Uhr tickt jedenfalls immer weiter, zum Glück auch für Extrabreit. Das ist gut so, denn Endlich Frieden ist ein gutes, zeitloses Punk Rock Album geworden, das in allen Lebenslagen gut tut. Bei diesem Qualitätslevel darf es gerne so weitergehen, denn den Burschen brennt es noch immer unter den Nägeln!

Links:
Extrabreit
Interview Markus Wosgien

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Extrabreit - "Frieden"

Sehr viel ist von der deutschen Punkrockbewegung der Achtziger nicht mehr übrig geblieben. Die Hosen und die Ärzte sind mittlerweile Mainstream, nach Abwärts und Wizo kräht kaum mehr ein Hahn und Combos wie die Brieftauben oder die Goldenen Zitronen sind seit Jahren verschollen..
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