Reload Festival - Sulingen (22.08.2019 - 24.08.2019)
Donnerstag
Dieses Jahr nehme ich einfach mal alle 3 Reload-Tage mit – hauptsächlich, weil am Donnerstag die Australier Copia spielen und ich sie noch nie live gesehen habe. Die Anreise endet mit einer absoluten Punktlandung, und wir stehen kurz vor Showbeginn tatsächlich rechtzeitig im Zelt respektive in der ersten Reihe. Bereits vor dem Set wird die Band mit Sprechchören gefeiert, während der Show gibt es bereits Circle Pits und eine Wall Of Death. Die 40 Minuten Spielzeit vergehen viel zu schnell, aber immerhin habe ich nun „Never Forget“ und Co. mal live abnicken dürfen. Im Anschluss wandert auch das erste Copia-Shirt in meine Sammlung, im Internet sind die Teile seit Längerem nicht mehr erhältlich.
Danach genehmigen wir uns erst einmal ein paar Kaltgetränke und plündern dann die Fressstände, im Anschluss legen Any Given Day und Ignite die Tentstage fachgerecht in Schutt und Asche. Obwohl das Zelt in diesem Jahr noch einmal vergrößert wurde, wird es erneut dem krassen Ansturm nicht gerecht, so dass einige Zuschauer leider draußen warten müssen, sich dort aber die Zeit mit den vielen anwesenden Anwohnern bei Schluck und Bier vertreiben können.
Wir treffen derweil im Pressebereich kurz auf Evil Jared, der uns mit einem zünftigen „Servus!“ begrüßt und kurze Zeit später im Zelt noch als DJ auflegt.
Freitag
The Creapers laden bereits um kurz nach 10 zum Frühschoppen, die zumeist verkaterten Festivalbesucher können somit im Zelt sowohl der Band lauschen, als auch vom Frühstücksbuffet schnabulieren. Die Hauptbühne eröffnen derweil mit leichter Verzögerung Pressure Recall aus Löningen, die ihren ersten Auftritt seit 4 Jahren kurzerhand per Facebook streamen. Das halbe Dorf ist anwesend und bevölkert die ersten Reihen, bekannte Gesichter allerorten. Sicherlich auch ne schöne Geschichte für die Band, die eine sehr gute und engagierte Show liefert.
Bei Evergreen Terrace ist es Zeit, Essen zu fassen, daher bekommen wir die Band nur zu hören, wie auch die folgenden Thundermother. Hier sehen wir allerdings noch das Ende der Show von der Empore aus. Viele Fans stehen derweil noch draußen, und die Schlange am Einlass zieht sich zeitweise bis zu den Zeltplätzen – keine Ahnung, was da los war. Jedenfalls erfahren die Mädels mit ihrem AC/DC-artigem Sound regen Zuspruch.
Dog Eat Dog verwandeln anschließend das Battlefield in eine riesige Party. Es wird sogar ein neuer Song präsentiert, der gegen die Klassiker „Rocky“ oder „Who`s The King?“ allerdings gnadenlos abstinkt. Trotzdem ein cooler Auftritt, auch wenn die Band in kleinen Clubs besser zündet.
Nasty erleben wir vom Bierstand aus, zu dem Auftritt kann ich nicht viel sagen, außer, dass er mir nicht sonderlich gefallen hat. Den perfekten Soundtrack zum Kaiserwetter liefern dann eh die Backyard Babies, die trotz sengender Hitze in dicken Lederjacken die Bühne betreten. Nach dem ganzen Geballer und Metalcore ist der Auftritt eine willkommene Abwechslung – und das bei hervorragenden Soundverhältnissen. Sowohl Klassiker wie „Brand New Hate“ als auch neue Hits ( „Good Morning Midnight“ ) werden vom Publikum dankend angenommen, ebenso wie der folgende Auftritt von Sondaschule – hier klinke ich mich allerdings aus, da mir die Band so überhaupt nicht zusagt.
Das tun Soilwork dafür umso mehr. Gespannt warte ich also auf die Live-Umsetzung der neuen Songs, ist „Verkligheten“ doch für mich ein ganz heißer Anwärter auf den Titel „Album des Jahres 2019“. Und von just diesem Album kommt auch eine ganze Batterie Songs zum Einsatz, u.a. das eröffnende „Arrival“ ( brutal! ) oder „Stålfågel“ ganz am Ende des Sets. Dazwischen lässt die Setlist – zumindest für mich als Kenner – einige Wünsche offen, allerdings haben auch Soilwork lediglich 45 Minuten Spielzeit zur Verfügung, so dass „Nerve“ und „Stabbing The Drama“ dann doch für Einiges entschädigen. Vermutlich bekommen die Schweden selten so euphorische Reaktionen auf ihre Songs, wie auf diesem Festival ( ich spreche da aus Erfahrung ), von daher ist es schön, dass ihr Auftritt eine solche Resonanz erfährt.
Die folgenden Bands reiße ich nur kurz an: Lordi waren erwartet spaßig, schon als zweiter Song tobt „Would You Love A Monsterman?“ durch die Setlist. Den Musikern dürfte bei diesen Temperaturen abartig heiß unter ihren Kostümen sein. Die Klassiker „Devil Is A Loser“ und selbstredend „Hard Rock Hallelujah“ beenden den Gig unter großem Applaus.
Of Mice & Men heizen dann mit einer amtlichen Pyro-Show und explosiven Songs ein, danach hauen sich die Australier Airbourne wieder die Bierdosen an den Kopp und bringen Sulingen zum tanzen. An wen erinnert mich diese Band noch gleich?... ;)
Sabaton fahren dann richtig fette Geschütze auf, und das Infield platzt aus allen Nähten. Einige Festivalbesucher sind vermutlich exklusiv wegen dieser Band hier, wenn man diversen Gesprächen am Merchstand und den doch etwas nervigen „Noch ein Bier“-Schlachtrufen Glauben schenken mag. Nichtsdestotrotz entlassen die Schweden den Großteil der Besucher zufrieden in die Nacht.
Samstag
Am Samstag Mittag bitten Jinjer bereits zu unchristlicher Zeit zur Frühgymnastik, und die gute halbe Stunde Geballer wird vom Großteil der Frühaufsteher absolut goutiert. Sängerin Tatiana Shmaylyuk ist ein echtes Energiebündel und wechselt zwischen derben Growls und cleanem Gesang, wobei ich die Growls deutlich überzeugender finde. Netter Auftakt!
Massendefekt und Walls Of Jericho hören wir mehr oder minder im Vorbeigehen, wobei vor allem letztgenannte Band kaum zu überhören ist, und zwar in jeder Ecke des Geländes. Selbst auf den Campingplätzen erahnt man, mit welch unfassbar fettem Sound die Band auftrumpft. Frontlady Candace Kucsulain hat das Publikum komplett im Griff und führt souverän und engagiert durch das Set.
Auf der anschließenden Pressekonferenz erfahren wir allerhand interessante Daten und Fakten rund ums Reload 2019, so konnte z.B. die Rekordzuschauerzahl aus dem Vorjahr wieder erreicht, respektive durch den Verkauf vieler Tagestickets sogar übertroffen werden. Da sich am Donnerstag ebenfalls viele Anwohner auf dem Vorplatz unter die Leute gemischt haben, kann man allerdings keine exakten Zahlen nennen.
Danach müssen wir uns sputen, um noch dem Emil-Bulls-Gig beizuwohnen, auch hier wieder: Punktlandung. Auf einem Festival schaue ich mir gerne mal die ( Band- ) Shirts der Besucher an, und zu den Top 5 zählen neben Amon Amarth, Parkway Drive, Rammstein und den onkelz auch die 5 Jungs aus München, man kann also fast schon von Publikumslieblingen sprechen. Diesen Status hat sich die Truppe in über 20 Jahren Bandgeschichte allerdings auch hart erarbeitet, abgesehen davon sind die Münchener Stammgäste auf dem Reload. Vom aktuellen Coveralbum „Mixtape“ gibt es leider keine Kostprobe, dafür bewährte Kracher vom Schlage „Here Comes The Fire“, „Age Of Revolution“ und „Worlds Apart“. Auch hier fallen viele Hits der kurzen Spielzeit zum Opfer – schade. Trotzdem natürlich ein gelungener Auftritt der sympathischen Herren aus Bavaria.
Bury Tomorrow tun sich danach dann etwas schwer, dass Bulls-Niveau zu halten, für mich klingt die Mucke auch eindeutig zu eintönig. Gleiches könnte man Agnostic Front natürlich auch vorwerfen, allerdings sind das einfach Hardcore-Legenden, die live immer noch extrem viel Alarm und Spaß machen. Trotz seiner 63 Jahren fegt Vinnie Stigma wie ein Orkan über die Bühne, und Roger Miret und Co stehen ihm in Nichts nach. Es herrscht Klassiker-Alarm, sowohl bei eigenem ( „Gotta Go“ ) als auch bei fremden Material ( „Blitzkrieg Bop“ zum Finale ). Groß.
Meine persönliche Überraschung heißt dann While She Sleeps. Auf CD werde ich mit denen irgendwie nicht so recht warm, live kickt die Chose dann allerdings ganz gewaltig. Und das, obwohl die Band aus Sheffield auf ihren etatmäßigen Sänger auskommen muss. Der Ersatzmann macht seine Sache allerdings formidabel, Hut ab! Auch die restliche Band hat richtig Bock und schaukelt sich mit den feierwütigen Fans gegenseitig zu Höchstleistungen hoch. Überhaupt: Dass die Zuschauer auch am letzten Festivaltag und bei wirklich unmenschlicher Hitze noch bei jeder Band Pits und Wall Of Deaths starten, ist wirklich unfassbar. Eine Willens- und Energieleistung. Ständig werden neue Crowdsurfer Richtung Security bugsiert, welche bei den Jungs in wirklich guten Händen sind. Auch hier hat sich in den letzten Jahren eine extrem entspannte, freundliche und doch professionelle Truppe herauskristallisiert. Schönes Ding. Also Daumen hoch, sowohl für While She Sleeps und die Festivalbesucher als auch für die Security auf dem Reload Festival!
Kaum zu glauben, aber es kommt noch besser, und das mit Ansage: Clawfinger bitten zum Tanz und wuchten den 90er Crossover auf die Bretter, die die Welt bedeuten. Was diese Truppe hier abzieht, spottet eigentlich jeder Beschreibung. Dass Sänger Zak Tell ein wuseliger, umtriebiger Geselle ist, ist ja eigentlich hinlänglich bekannt. Doch auch der Rest der Band lässt sich nicht lumpen und dreht komplett frei: Bassmann André Skaug dreht sich wie ein Brummkreisel um die eigene Achse, Keyboarder Jocke verpasst bei seinen Ausflügen an den Bühnenrand fast seine Einsätze. Zak geht derweil auf Tuchfühlung mit den Sulingern und lässt sich durchs Publikum tragen. On Top gibt es noch eine Setlist, die kaum Wünsche offen lässt, wobei für mich mal wieder „Biggest & The Best“ heraussticht, so ein unfuckingfassbares Brett! Aber auch „Nigger“ oder „The Truth“ lassen das Reload juchzen und extatisch zappeln. Das war hochklassig, Weltklasse! Für mich das uneingeschränkte Highlight dieses Jahr.
Hatebreed müssen anschließend all ihre anwesenden Fans mobilisieren, um dem etwas entgegenzusetzen. Und tatsächlich: Wenn Jamey Jasta ruft, gehorcht Sulingen auf`s Wort. Sogar ein Festival-eigenes Bandshirt hat man am Start ( „I Survived The Hatebreed-moshpit @ Reload Festival 2019“ ), und auch sonst werden keine Gefangenen gemacht. Sogar mir ringt das mittlerweile Respekt ab, obwohl ich mit der Band nie so recht etwas anfangen konnte. Doch 25 Jahre Bandgeschichte kommen ja auch nicht von ungefähr. Und so werden heute die von mir einst als zu stumpf verschmähten Nummern wie „Destroy Everything“ oder „Live For This“ abgenickt und durchs Ziel gewunken. Souveräner Auftritt, kann man nicht anders sagen.
Bullet For My Valentine ist es dann vorbehalten, die diesjährige Auflage des Festivals zu beenden. Es wird allerlei Tamtam aufgefahren, von Pyro über Luftschlangen, Konfetti und einem Feuerwerk zum Abschluss. Wobei das natürlich nicht mehr zum Bullet-Auftritt gehörte ;)
Die Setlist besteht eher aus Songs neuerem Datums, aber vor allem bei den Klassikern stehen die Leute naturgemäß Kopf: „Scream Aim Fire“ oder auch „Tears Don`t Fall“ sag ich nur. Cool finde ich die Tatsache, dass mit „4 Words To Choke Upon“ immer noch einer meiner Alltime-Faves im Programm vertreten ist – und das immerhin seit 2005. „The Last Fight“ wird als einer der bandinternen Lieblingssongs angekündigt, und man merkt den Walisern deutlich ihre Routine, aber auch den Spaß an. Nach 75 Minuten und „Waking The Demon“ ist Schluss, das Reload 2019 ist Geschichte.
Der Samstag hat noch mal so richtig Spaß gemacht, was für ein Abschluss! Neben sehr vielen positiven Aspekten soll allerdings auch Platz für etwas Kritik sein:
- die Schlangen am Einlass waren teilweise extrem lang, das kann sicher optimiert werden
- immer wieder: die Spielzeiten der einzelnen Bands sind teilweise viel zu kurz, ich würde weniger
Bands mit mehr Spielzeit bevorzugen
- vielleicht eine Metalcore-Band zu viel auf dem Billing
Nun aber die erfreulichen Punkte:
- der Sound war richtig Klasse
- gute Organisation
- tolle Security
- Wahnsinns Publikum
- kurze Wege, tolles Festivalgelände generell
- das Grillbuffet im Pressebereich war obernice
- coole Fressstände, mal was anderes ( Holländische Spezialitäten mit Joppie-Sauce, Wraps mit
Pasta Bolognese und Salat, Handbrot, Flammlachs etc. )
- tolles Wetter ( ok, das ist immer ein Glücksspiel )
- faire Preise ( Eintritt, Merchandise )
- viele Bands sind gerngesehene Stammgäste und kommen immer wieder gern her
- das Festival ist nicht überlaufen, man kann jederzeit in eine der vorderen Reihen gehen
- gute Bandauswahl, auch mal ein paar Kontrastpunkte zum sonst eher Metalcore-lastigen Line Up
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