Live-Reviews | Wacken Open Air 2016 - Wacken (04.08.2016 - 06.08.2016) | Nach schier unendlichem Warten heißt es am Montag endlich „Go“ - bzw. fast, denn die Abfahrt verzögert sich etwas, weil die Karre streikt. Toller Start. Egal, irgendwann hat sich das Ding eingekriegt und wir bahnen uns den Weg ins Metal-Mekka.
Montag und Dienstag steht außer Einkaufen und Ausflügen ins Dorf kein Programm an, und auch Mittwoch höre ich nur die Blechblosn vom Campground aus – leider. Der Mix aus Blasmusik und Metal ist einfach nur furchtbar, es werden illustere Gestalten wie Andreas Gabalier oder Rammstein gecovert, und das gar nicht mal so gut.
Donnerstag
Heute ist Klassiker-Alarm! Gleich 4 legendäre Bands spielen hintereinander – nicht umsonst trägt der Donnerstag den Untertitel „A Night To Remember“. Und das völlig zurecht. Den Auftakt machen heute Saxon, die lediglich einen neuen Song in die Menge feuern ( „Battering Ram“ ), ansonsten präsentieren Biff und Konsorten einen bunten Mix ihrer unsterblichen Hits, die da heißen „Denim & Leather“, „747 ( Strangers In The Night )“ und natürlich „Princess Of The Night“ als Abschluss. Wie immer alle Daumen hoch für Saxon.
Danach sind Foreigner an der Reihe. Die Truppe sehe ich heute zum ersten Mal live, somit bin ich einigermaßen gespannt, was mich da erwartet. Etwaige Zweifel werden direkt mit „Double Vision“ beiseite gewischt, es folgt Hit auf Hit: „Cold As Ice“, „Urgent“, „Juke Box Hero“ - ganz groß! Das Alles bei bestem Sound, vor allem die Drums peitschen ohne Ende. Ein Genuss.
Whitesnake können dieses Niveau nicht ganz halten, liefern aber ebenfalls eine sehr gute Show ab. Vor allem der agile David Coverdale und der lebende Wischmopp an den Drums, Tommy Aldridge, ziehen die Blicke auf sich, Songs wie „Here I Go Again“ tun ihr Übriges. Gelungene Show.
Auf den Headliner Iron Maiden warten so ziemlich alle Besucher des W:O:A, entsprechend gut gefüllt ist das Infield. Wie immer vom UFO-Song „Doctor Doctor“ angekündigt, startet die Show mit einem Intro-Filmchen, danach leitet Bruce Dickinson direkt in den eigentlichen Konzert-Opener „If Eternity Should Fail“ ein. Leider macht sich schon hier bemerkbar, dass der Sound nicht optimal ausbalanciert ist, der Gesang doppelt sich oder hat einige technische Aussetzer – und das ausgerechnet bei Maiden! Sehr schade, denn die Briten spielen ein überzeugendes Konzert, viele neue Stücke finden ihren Weg in die Setlist. Maiden sind aber schlau genug, zwischendurch Klassiker der Marke „Children Of The Damned“ oder „The Trooper“ einzustreuen. Zum Ende der Show hin herrscht erhöhter Gänsehautalarm, „Hallowed Be Thy Name“ und „Fear Of The Dark“ erzeugen wie immer auch in Wacken eine einzigartige Stimmung. Vom Sound abgesehen also ein würdiger Headliner. Maiden selbst kann man dafür allerdings natürlich keine Schuld geben.
Freitag
Schon um 11:00 Uhr bitten Pyogenesis vor die Bühne – und es fängt an zu regnen. Der Regen hört auch erst wieder auf, als die Band ihren 45minütigen Auftritt beendet – tolles Timing... Das Konzert selbst ist super, die Band konzentriert sich verständlicherweise auf die Songs ihres Comeback-Albums „A Century In The Curse Of Time“, also z.B. „Steam Paves It´s Way ( The Machine )“, „The Swan King“ oder „This Won´t Last Forever“, aber auch ältere Perlen wie „Fade Away“ kommen nicht zu kurz. Dieser kurze Auftritt macht Lust auf mehr, z.B. die Tour im Herbst.
Den The-Haunted-Auftritt sehe ich vom EMP-Stand aus, die Schweden machen wie immer eine Menge Alarm und feuern ihren Thrash Metal ohne große Umschweife ins Publikum. Brachial und gut.
Die Krupps spielen glücklicherweise im Bullhead-Zelt, was schon einmal guten Sound verspricht. Und tatsächlich: Die Songs erstahlen im allerfeinsten, druckvollen Gewand. Bislang kannte ich die Jungs nur vom Namen her, das hat sich hiermit glücklicherweise geändert. Superber Auftritt!
Bullet For My Valentine höre ich quasi im Vorbeigehen und bin vom brachialen, krachenden Auftritt verwundert und gleichermaßen begeistert. Einer dieser Momente, an denen man sich in den Arsch beißt, dass man sich doch nicht vor die Bühne gestellt hat. Nächstes Mal aber wieder.
Ebenfalls „nebenbei“ nehmen wir die Industrial-Metal-Combo Sector wahr, die auf der Wasteland Stage im Wackinger Village ihr Unwesen treibt. Wohlgemerkt in ca. 3 Metern Höhe, denn da befindet sich die Mad-Max-mäßige Bühne. Auch hier wissen Sound und Band zu gefallen.
Von Blind Guardian erhaschen wir noch die letzten 3 Songs, und die haben es in sich: „The Bard´s Song“, „Mirror, Mirror“ und „Valhalla“ - Wahnsinn. Das Publikum singt jedes Wort mit und liegt den Krefeldern zu Füßen. Für mich sticht der Drummer abermals hervor, der Sound ist eine Wand, die schön drückt – so muss das. Einzig „Welcome To Dying“ hätte noch gefehlt – da kann man aber locker mal drüber hinwegsehen.
Der Auftritt von Ministry wird unsererseits heiß und innig herbeigesehnt – lieferte die Truppe um Front-Psycho Al Jourgensen an gleicher Stelle 2012 einen absolut legendären und brachialen Abriss. Und auch heuer lassen die Mannen nichts anbrennen, „Hail To His Majesty“ und die Abrissbirne „Punch In The Face“ eröffnen die 75 viel zu kurzen Minuten, weitere Hits wie „N.W.O.“ oder „Just One Fix“ folgen. „Thieves“, „Stigmata“ und „So What“ läuten dann schon das Ende ein, und wieder einmal hinterlassen Ministry offene Münder und kaputte Nacken. Wahnsinn. Ohne Worte.
Unfassbar, was Testament dann im Anschluss noch veranstalten: Der Sound ist anfangs noch recht dürftig ( „Over The Wall“ als Opener ), doch schon der zweite Song „Rise Up“ kriegt die Sound-Kurve, und die Mannen um Chuck Billy feuern aus allen Rohren. „The Preacher“ und „More Than Meets The Eye“ geben wir uns noch vor der Bühne, den Rest verfolgen wir vom Campground aus, was bei der gebotenen Lautstärke kein größeres Problem darstellt. Keine Ahnung, wie die das machen, oder wer da an dem Lautstärke-Regler gedreht hat, aber vor dieser Leistung ziehe selbst ich den Hut, und ich bin nun wahrlich kein großer Fan von Testament. Diese Leistung lässt mich meine Einstellung der Band gegenüber aber gehörig überdenken. Ich werd noch mal reinhören. Krönender Abschluss eines Tages, der alles andere als arm an Highlights war.
Samstag
Schon zur Mittagszeit eröffnen Eskimo Callboy die Party Stage. Und wenn man sich mal umschaut, ist es ein Wahnsinn, wie viele Leute sich mittlerweile bei diesen Burschen vor der Bühne versammeln. Vom True Metaller in Kutte über Normalos bis hin zu kostümierten Kaputten alles dabei. Von der Menge her kein Vergleich mehr zur Show 2013 im Zelt. Hier sind locker 10.000 – 15.000 Menschen anwesend, die zu „Crystals“ und „We Are The Mess“ abfeiern. David hat sein Drumkit wieder in Rekordzeit geschrottet, mittlerweile auch ein Running Gag. Am besten gefällt mir heute „Monster“, das sehr geil und düster aus den Boxen kriecht. Wie immer beendet „Is Anyone Up?“ ein starkes Set, und man kann erneut festhalten, dass die Jungs aus Castrop-Rauxel absolut auf dem Vormarsch sind.
Kontrastprogramm dann im Bullhead-Zelt: Year Of The Goat sind alles andere als eine Party-Truppe. Jedoch vermag die sechsköpfige Band aus Schweden eine intime Club-Atmosphäre zu erzeugen. Mir gefällt dieser gechillte Sound ziemlich gut, ist mal eine nette Abwechslung zwischendurch. Nicht überragend, aber unbedingt sehenswert.
Leider haben Devildriver auf der Party Stage dann erneut mit einem schwachen Sound zu kämpfen, was mich zurück zum Campground treibt. Beim Verlassen des Geländes höre ich noch „Clouds Over California“, einen meiner Lieblingssongs von Dez und Co.
Steel Panther ziehen dann wieder alle Register, im Publikum stehen tuntig gekleidete Männer und halbnackte Frauen nebeneinander und erfreuen sich an den größtenteils saukomischen Ansagen und den Songs „Asian Hooker“ und „Gloryhole“. Einige Damen werden auf die Bühne geholt und wackeln mit dem, was Gott oder wer auch immer ihnen gegeben hat. Natürlich haben Steel Panther auch dazu den passenden Soundtrack: „17 Girls In A Row“. So sieht man nach dem Rausschmeisser „Death To All But Metal“ ausnahmslos grinsende Gesichter.
Vom Zeltplatz aus nehmen wir ein Mash Up von Triptykon auf der Black und Clutch auf der Party Stage wahr. Extrem verwirrend, aber auch irgendwie lustig. Black Metal meets Blues Rock. Moin.
Auch bei Twisted Sister bekommt man das Grinsen kaum aus der Fresse. Zu angriffslustig präsentiert sich die Band um Dee Snider auf der True Metal Stage heute. „Burn In Hell“ wird direkt als dritter Song Richtung Acker gefeuert, „We´re Not Gonna Take It“ wird noch minutenlang vom Publikum gesungen und von der Band immer wieder verlängert. Ähnliches Bild bei „I Wanna Rock“ - Wacken ist Zeuge der letzten Deutschland-Show dieser illustren Truppe. Sänger Dee Snider und seine Kollegen reden dementsprechend viel zwischen den Songs und verdeutlichen, dass sie es mit dem Abschied im Gegensatz zu ihren Kollegen ernst meinen. Dazu passend das Tourmotto: „ 40 & Fuck It!“. Man kann von der Musik halten, was man will, aber das ist eine echte Powerleistung, die hier geboten wird. Auch die Ansagen von Dee Snider sind absolut bissig und witzig, teilweise albern – aber immer unterhaltsam. Das Fazit hat der Gute Dee bereits während der Show vorweggenommen: #fuckyeah!
Arch Enemy spielen zeitgleich mir Parkway Drive, lautstärketechnisch liegen die Schweden um Frontfrau Alissa White-Gluz aber vorne, dementsprechend hören wir am Zelt hauptsächlich Songs wie „Nemesis“ und „We Will Rise“. Stark, was für eine Stimme in einer solch zierlichen Person wie Alissa steckt.
Gleiches gilt sicher auch für Cripper und deren Frontsirene Britta Görtz, doch erstmal begrüßen uns Serious Black mit einer Portion Power Metal im Powerwolf-Style im Bullhead-Zelt. Sehr grenzwertig, aber wieder einmal ist der Sound hier bombastisch und die Doublebass wummert schön in der Magengegend. Wenn doch nur dieses schreckliche Gejaule vom Sänger nicht wäre...
Naja, irgendwann – es ist mittlerweile 2:15 Uhr nachts – betreten Cripper aus Hannover die Bühne und zerstören einfach mal alles. Super Sound, ich steh mit meinem Kollegen sogar in der ersten Reihe und bekomme so direkt nochmal die Haare gestyled. Dafür, dass Cripper die letzte Band des Festivals sind, ist erstaunlich viel los vor der Bühne, von Müdigkeit nach einer Woche Feiern keine Spur. Sogar Moshpits sind drin. Der Gesang von Britta kommt sehr klar aus den Boxen, die Instrumentenfraktion ebenfalls – was will man mehr? Zu Thrash-Metal-Granaten der Marke „Faqu“ lässt sich vortrefflich headbangen, und um 3 Uhr ist dann schon wieder alles vorbei.
Positiv war dieses Mal in vielen Fällen der Sound ( wie gehabt im Bullhead-Zelt im Premium-Bereich ), vor allem die Drums knallten teilweise schön wuchtig aus den Boxen.
Nicht verstehen kann ich, dass erneut die exakt gleichen Stellen wie jedes Jahr im Schlamm „untergehen“, ohne dass irgendetwas passiert. Warum wird da nicht gestreut? Oder irgendwie abgepumpt? Ist mir zu hoch.
Dass sich einige Bands zeitlich überschneiden, die man beide gerne gesehen hätte, hat leider ebenfalls schon „Tradition“, genauso wie die bekloppten Zeltplatz-Songs der Nachbarn - „Space Unicorn“ hat in diesem Jahr „Dicke Titten, Kartoffelsalat“ abgelöst ;)
Wir sehen uns wie immer im nächsten Jahr an selber Stelle.
Links: Wacken Open Air 2016
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